Universität Rostock | Philosophische Fakultät, Historisches Institut D-18051 Rostock, Neuer Markt 3

Von Rostock nach Klausenburg und zurück nach Rostock: Zwanzig Jahre Universitätspartnerschaft (2000-2021) – Erinnerungen, Rückblick und Perspektiven

Meine Beziehung zur Babes Bolyai Universität Klausenburg haben zwei Wurzeln:

Die Kontakte zwischen der Babeş-Bolyai Universität Klausenburg und der Universität Rostock wurden durch meinen Freund und langjährigen Rostocker Kollegen Professor Dr. Dr. h.c. mult. Rudolf Windisch hergestellt, der in den 1970er Jahren als DAAD Lektor an der UBB tätig war. Einen wichtigen Impuls für mich war auch ein Vortrag des Klausenburger Rektors zur Europäischen Identität in Osteuropa an meiner Universität, der mich als Europahistoriker sehr interessierte. Es wurden seit Ende der 1990er Jahre Erasmusverträge zwischen beiden Universitäten abgeschlossen, zunächst mit der Romanistik, der Germanistik und dem Institut für Philosophie. Für das Rostocker Historische Institut, vor allem für die Europäische Geschichte und die europäische Integrationsgeschichte war die Information über den Aufbau eines Europastudienganges an der UBB von großem Interesse und auch das Historische Institut schloss mit der UBB einen Erasmusvertrag mit Studierenden- und Dozentenmobilität.

Das Erasmusprogramm zwischen den Historischen Instituten sollte sich als sehr erfolgreich erweisen. Es fanden regelmäßige Dozenten- und Studierendenaustausche statt.

Bei einem Besuch einer Rostocker Delegation im Jahre 2000 – beteiligt waren Vertreter des Romanischen Instituts (Professoren Rudolf Windisch und Jürgen Schmidt-Radefeld), des Instituts für Philosophie (Dekan Prof. Dr. Hans-Jürgen Wendel) und des Historischen Instituts (Professor Dr. Wolf D. Gruner). Wir konnten uns unter Leitung des damaligen Dekans Professor Wendel über die dreisprachigen Studiengänge (rumänische Linie, ungarische Linie, deutsche Linie) sowie die überwiegend in Englisch gelehrten Europastudiengänge informieren und etwas über die Studienmöglichkeiten erfahren. Zudem erhielten wir die Möglichkeit das Konferenzzentrum der UBB in Arcalia, einem ehemaligen Schloss eines ungarischen Adeligen zu besuchen und die Arbeitsatmosphäre kennenzulernen.

Aus meinen Besuchskontakten seit dem Jahre 2000 entwickelten sich regelmäßige Austausche, vor allem auf der Dozentenebene. Dies galt vor allem für die freundschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem langjährigen Prorektor für die Deutschen Studien und das Promotionswesen, Professor Dr. Rudolf Gräf. Professor Gräf hielt u.a. als Gastprofessor in Rostock eine Vorlesungsreihe zur Geschichte Rumäniens und berichtete in meinem Oberseminar eindrucksvoll über die Wende in Rumänien 1989/90.

Eine besonders nachhaltiges gemeinsames Hauptseminar fand im Sommersemester 2018 in Rostock als Blockseminar zu den deutsch-rumänischen Beziehungen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt, wobei der Schwerpunkte auf der Zeit seit der Gründung „Großrumäniens“ bis zum neuen Rumänien nach 1990 lag. Im den Blick kam auch der Weg Rumäniens in die EU.

Bei den ersten Besuchen seit 2000 fiel auf, dass bei der Ankunft auf dem Flughafen Cluj neben der rumänische Fahne auch bereits die Fahne der EU – Rumänien wurde ja erst 2007 Mitglied der EU – gehisst war.

Im Juli 2005 fand die erste Sommerschule mit Dozenten und Studierenden beider Universitäten in Klausenburg zum Thema „Identität – Nation – Nationbuilding“ statt. Die Rostocker Studierenden kamen aus der Romanistik, der Geschichte und der Philosophie, die rumänischen aus der „deutschen Linie“. Schwerpunkte des Seminars waren die Geschichte und Sprache Rumäniens, die Geschichte der deutschen Nation sowie die Europäische Integration. Vorträge wurden von deutschen und rumänischen Kollegen gehalten. Die Studierenden bereiteten mit Gruppenarbeiten Themen vor. Die Sommerschule, gefördert durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst, fand teilweise in der Universität in Klausenburg, teilweise im Tagungszentrum im ländlichen Arcalia statt.

Seminarpause Sommerschule 2005 – Stadtführung mit Prorektor Professor Dr. Schreiber

Besuch im Kunstmuseum Cluj mit Professor Windisch

Neben den Erkenntnissen und der Sacharbeit aus dem Seminar lernten die Teilnehmer auch Siebenbürgen als multiethnische Region, Kultur- und Geschichtslandschaft kennen, auch die Wehrkirchen der Siebenbürger Sachsen. Die verschiedenen Exkursionen fanden unter der kundigen Führung von Professor Schreiber statt. Aus dem Seminar heraus entwickelten sich langjährige Freundschaften. Leider studierte nach einem Rumänisch-Crash-Kurs nur einer der Rostocker Studierenden ein Jahr an der UBB. Seine Masterarbeit über den Beitritt Rumäniens zur EU wurde von mir und Professor Gräf erfolgreich betreut.

Ein „Highlight“ in den Beziehungen war die Ehrenpromotion des Promoters und „Vaters“ der Beziehungen zwischen unseren beiden Universitäten Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Rudolf Windisch im Jahre 2003. Als Vertreter der Universität Rostock hatte ich die Ehre daran teilzunehmen und ein Grußwort zu sprechen.

Eine zweite Sommerschule zwischen der Universität Rostock und der UBB fand 2006 in Rostock zum Thema „Europäische Identität“ statt, und eine dritte in Klausenburg in 2007, beide organisiert von Dr. Rosina Neumann und finanziert durch die Harms-Stiftung. Neben Kollegen aus der Geschichte, Romanistik und Philosophie war auch ein Mitglied der juristischen Fakultät (Prof. Dr. Schütz), der zur Frage der Identität aus rechtlicher Sicht sprach. Beim Rostockbesuch der Klausenburger Studierenden waren leider, anders als 2005 in Klausenburg, gemeinsame Unternehmungen beider Studierendengruppen erschwert. Weitere Sommerschulen scheiterten leider an Finanzierungsfragen.

Erfreulich waren bei den Besuchen in Klausenburg die Ausflüge in die Umgebung nach Alba Iulia, nach Oradea und in die Westkarpaten.

Mit Professor Schreiber und Professor Windisch in den Westkarpaten

Zwischen 2000 und 2019 war ich selbst jährlich zwei bis drei Mal im Rahmen der Dozentenmobilität an der UBB. Leider mussten 2020 wegen der Corona Pandemie die Besuche entfallen und dies scheint auch 2021 so zu werden. An der UBB hielt ich Vorträge und Seminare zur deutschen und europäischen Geschichte im Historischen Institut, in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, der Germanistik und in der deutschen Linie der Europastudien. Die Themen waren aus dem Bereich der deutschen Geschichte sowie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Hinzu kamen Veranstaltungen zur vergleichenden Kartographie (Europa – Welt – Siebenbürgen), zur europäischen Identität sowie zur Geschichte der europäischen Integration unter Einbeziehung auch Rumäniens. Es hat viel Spaß gemacht, denn die Studierenden waren interessiert und aufmerksam.

Seminar mit Professor Gräf 2008

Im April 2008 begleitete ich den neuen Rektor der Universität Rostock, Professor Thomas Strothotte zu seinem Antrittsbesuch an die UBB. Dabei stellten wir fest, dass in der Biologie der deutschen Linie der UBB nicht die erforderliche Zahl von mindestens 10 Studierenden für das neue Semester erreicht werden würde. Vorgeschlagen wurde dann von Rostocker Seite einen Doppelstudiengang UBB-UR einzurichten, da Rostock dann in der Biologie mehr als 20 Studierende aufnehmen könnte. Bis Juni 2008 wurde ein Doppelstudiengang entwickelt und in Klausenburg unterzeichnet. Geplant wurden auch weitere Doppelstudiengänge in Wirtschaftswissenschaften und Geschichte. In den Wirtschaftswissenschaften gab es erfreuliche Anfänge, die aber letztlich an unterschiedlichen Auffassungen zu Theorie und Praxis scheiterten. In Geschichte kam kein Doppelstudiengang zustande, da der Rostocker BA/MA immer zwei Fächer umfasst, der der UBB nur ein Fach. Es wäre sinnvoll, sofern der geplante Umbau in Rumänien auf ein Zweifach BA/MA erfolgt ist, nochmals einen Doppelstudiengang anzustreben.

2008/2009 war ich Beauftragter des Rektors für die Zusammenarbeit der Universitäten Rostock und UBB.

Im Oktober 2008 besuchten Rektor Marga und Prorektor Gräf die Universität Rostock und nahmen an der Immatrikulationsfeier teil.

Festessen mit Bürgermeister Methling (Rostock), Professor Gräf, Kanzler Wittern, Rektor Professor Marga

Gruppenbild Rektoren, Dekan, Ehrensenatoren, Senatoren, Gauck

Einzug in die Marienkirche

Ansprache Joachim Gauck, Bundespräsident 2012-2017

Zu meiner Verabschiedung im April 2009 wurde von der Presa Universitariă Clujeană mein Buch „Deutschland in Europa: Vom deutschen Mitteleuropa zum europäischen Deutschland“ veröffentlicht von mir von Professorin Dr. Gabriella-Norà Tar in Rostock überreicht (24.4.2009).

In den Jahren 2009 und 2014 hatte ich die große Ehre als Ausländischer Berichterstatter und Evaluator für ARACIS die Babeş-Bolyai Universität in Klausenburg und die Universität „1. Dezember 1918“ in Alba Iulia zu evaluieren. 2014 evaluierte ich dann den Geschichtsstudiengang der Westuniversität in Timisoara (Temeswar).

Eine wichtige Erfahrung war es für mich als Mitbetreuer und Mitgutachter an bislang sechs Promotionsverfahren an der UBB teilnehmen zu dürfen. Ein weiteres steht an.

Eindrucksvoll waren 2019 die Universitätsjubiläen in Klausenburg und in Rostock.

Die Rumänische Universität UBB feierte ihr 100-jähriges Jubiläum. Gerne war ich der Einladung gefolgt. Meine Frau kam das erste Mal mit nach Klausenburg. Es war eine großartige Veranstaltung und der Rostocker Rektor Professor Schareck hielt in der Aula der UBB eine Begrüßungsrede auf Rumänisch.

Wenige Wochen später, im November 2019, weilten Akademiker Rektor Professor Dr. Ioan-Aurel Pop und Prorektor Prof. Dr. Rudolf Gräf zur 600-Jahrfeier der Universität Rostock in Rostock.

In den vergangenen gut 20 Jahren ist die Beziehung zwischen beiden Universitäten erfolgreich gewachsen. Hierbei spielten sicherlich auch die persönlichen Kontakte und die wissenschaftliche Zusammenarbeit eine gewichtige Rolle. Seit unserer ersten Begegnung im Jahre 2000 entwickelte sich zwischen Professor Gräf und mir eine enge Freundschaft. Wir hatten gemeinsame Forschungsinteressen und durch meine jahrelangen Besuche an der UBB vertiefte ich mich zunehmend in die Geschichte Siebenbürgens und Rumäniens. Hierzu trug entscheidend mit bei, dass mir Professor Gräf Siebenbürgen zeigte. So waren wir in Alba Iulia und seiner Bedeutung beim Übergang Siebenbürgens 1919 an Rumänien, wir besuchten Hermannstadt und Oradea und auch die Gefangenenlager an der Grenze zur Ukraine. Diese Ausflüge, neben den Vorlesungen und Gesprächen vermittelten mir einen tiefen Einblick in das ehemalige Fürstentum Siebenbürgen und seine multiethnische Bedeutung für das moderne Rumänien, das ich vorher nur den Besuch des Internationalen Historischen Weltkongress 1980 in Bukarest kennengelernt hatte. Bei zahlreichen Besuchen von Professor Gräf in den letzten Jahren in Rostock konnte ich mich ‘revanchieren‘ und ihm das so andere Mecklenburg mit Ostsee und Rügen zeigen. Wir haben seit den vielen Jahren der Zusammenarbeit und Freundschaft es immer verstanden Lehre, Wissenschaft und Erfahrung der jeweiligen Geschichtslandschaft in die Balance zu bringen. Dankbar bin ich auch, dass ich anlässlich des 60. Geburtstages von Professor Gräf im Januar 2015 die Laudation halten durfte.

Bei Besuchen in Klausenburg konnte ich auch die eindrucksvolle Kartensammlung der Universitätsbibliothek einsehen und benutzen. Im Zusammenhang mit meinen Interessen für historische Landkarten konnte ich 2010 in den Studia Germanica Napocensia, in deren Wissenschaftlichen Beirat ich gewählt wurde, einen Vergleich der Europakarten und der Karten Siebenbürgens bei Sebastian Münster und Gerhard Mercator mit Farbbildern der Karten veröffentlichen. Bereits vorher (2009) war ein längerer Beitrag zur Geschichte der Habsburger Monarchie im 19. Jahrhundert dort veröffentlicht worden. Durch die zahlreichen Besuche an der UBB und in Siebenbürgen entstand auch ein historisches Interesse an diesem Raum. Es fand seinen Niederschlag in einem Aufsatz für den ehemaligen Rektor Nicolae Bocşan zur Wiedervereinigung Deutschlands, zur EU sowie zum Beitritt Rumäniens (2007), Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte und Erinnerungskultur für die Festschriften für Rudolf Gräf sowie 2018/19 einen vergleichenden Aufsatz über die Friedensverträge mit Rumänien und Deutschland am Ende des Ersten Weltkrieges, herausgegeben von Rudolf Gräf für Siebenbürgen. Weitere Beiträge wurden 2016/17 für die Transilvanan Review geschrieben. Zwischen 2014 und 2016 nahm ich an zwei Konferenzen der Fakultät für Europastudien in Berlin und Klausenburg teil. Die Beiträge sind inzwischen veröffentlicht.

Aufgrund meiner Einbindung an der UBB u.a. als Mitglied Wissenschaftlicher Beiräte und weiterer Publikationen und intensiver Kooperation sind die Perspektiven für die künftigen Beziehungen sehr erfreulich.